„Ich hoffe, Ihre Gesundheit gewinnt. Ich glaube, dass Sie mehr Bewegung zu Fuß machen sollen.“ Der Tipp könnte in jedem Fitnessratgeber stehen oder in Ihrer Fitness-App aufpoppen – Sie wissen schon: 10.000 Schritte am Tag! –, aber er stammt von niemand anderem als Ludwig van Beethoven. Nachschrift eines Briefs, den der Komponist im September 1824 an einen Freund aus Baden schrieb. Er selbst, berichtete Beethoven, nütze noch „die schon kürzeren Tage hier im Gebürge wo man sich gern durch Spaziergänge und Genuß der freyen Luft, wie den schönen Gegenden, vor den bevorstehenden Plagen in der Stadt, noch stärken möchte“. Beethoven machte Bewegung zu Fuß – und wie! Er sei „ein sehr guter Fußgänger“ und liebe „stundenlange Spaziergänge, besonders durch wilde und romantische Gegenden“, berichtet ein Zeuge, der mit ihm durchs Helenental wanderte. Ein anderer erlebte, wie Beethoven dort auf schmaler Promenade, hart vorbei an fein gekleideten Herrschaften, den Frack auszog, ihn auf seinen Spazierstock hängte und bloßarmig drauflosging. Dabei schwang er nicht nur den Stock, sondern auch die ausgelassensten Reden.
Diesen Spazierstock findet man heute in den Sammlungen der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Was könnte verlockender sein, als einmal nach ihm zu greifen und mit ihm loszuwandern? Der Musikverein macht sich 2026 exakt so auf den Weg. Mit seinem Festival „Beethovens Spazierstock“ lädt er ein, sich mit Herzenslust auf Reisen zu begeben, wilde Gegenden zu durchstreifen, neue Räume zu erkunden, kühn loszustürmen, sich genüsslich treiben zu lassen oder auch ein Getriebensein zu durchleben, bei dem ein Wanderstab nur noch symbolisch Halt geben kann.
Wieder also ist es ein Objekt aus den reichen Sammlungen des Musikvereins, das den Fluss der Ideen in Gang setzt. Um historisch korrekt zu sein: Ob es exakt dieser Spazierstock war, an dem Beethoven auf der Promenade von Baden den Frack baumeln ließ, wissen wir nicht. Es gibt mehrere Stöcke, von denen gesagt wird, sie wären dem flott gehenden Beethoven dienlich gewesen. Was den Spazierstock in den Sammlungen des Musikvereins auszeichnet, ist der tadellos dokumentierte Gang der Geschichte: Dieser Spazierstock befand sich nachweislich in Beethovens Hand. 1827, wenige Wochen nach seinem Tod, kam er bei der Versteigerung seines Nachlasses unter den Hammer. Anna von Gleichenstein erhielt den Zuschlag, die Schwester von Therese Malfatti, zu der sich Beethoven einst so heftig hingezogen fühlte, dass seine Gedanken sogar Richtung Ehe spazierten. Der kostbare Gehbehelf wanderte weiter und kam 1906 ins Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien. Neben wertvollen Dokumenten seines Schaffens – Autographen, Skizzen, eigenhändig korrigiertem Aufführungsmaterial – erzählt er als authentisches Objekt von Beethovens Leben. Doch halt! Wirklich trennen kann man das eine nicht vom anderen. Und was speziell den Spazierstock angeht, so weiß man, dass Beethoven die Ideen für sein Schaffen vielfach gehend fand. Stures Sitzen führt zu Sinnesstarre, „wenn wir gehen“, sagt Thomas Bernhard, „kommt mit der Körperbewegung die Geistesbewegung“. Auch das ist einer der vielen reizvollen Aspekte, denen in diesem Festival nachgegangen wird.




